
„Eigentlich sollte man einen Menschen überhaupt nicht bemitleiden, besser ist es, man hilft ihm.“ – Ein Aufruf zur Menschlichkeit
Es gibt Zitate, die tief ins Herz treffen – nicht weil sie besonders poetisch sind, sondern weil sie so schonungslos klar und menschlich sind. Ein solches Zitat stammt von Maxim Gorki, einem der bedeutendsten russischen Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts. Seine Worte – „Eigentlich sollte man einen Menschen überhaupt nicht bemitleiden, besser ist es, man hilft ihm.“ – stammen aus seinem Theaterstück Die Kleinbürger (1901) und sind heute aktueller denn je. Sie fordern uns heraus, unser Verständnis von Mitgefühl zu hinterfragen – und sie fordern Taten.
Dieser Artikel beleuchtet den historischen und literarischen Kontext des Zitats, analysiert seine psychologische Tiefe und macht Mut, selbst zum Helfer zu werden – jenseits von Mitleid, hin zu echter, praktischer Menschlichkeit.
Der Ursprung des Zitats – Maxim Gorki und sein Werk
Maxim Gorki (1868–1936) war ein Mann des Volkes. In seiner Kindheit erlebte er Armut, Gewalt und den Tod seiner Eltern. Später schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, bevor er zum Sprachrohr der Entrechteten wurde. Seine Literatur erzählt vom Leben der einfachen Menschen – und das nicht aus der sicheren Distanz des Beobachters, sondern mit dem Blick desjenigen, der selbst Teil davon war.
Das Zitat entstammt dem Drama Die Kleinbürger, in dem Gorki eine Familie porträtiert, die zwischen Trägheit, Egoismus und Überforderung schwankt. In einer zentralen Szene des Stücks äußert die Figur Teterew folgenden Satz: „Nicht immer … Eigentlich sollte man einen Menschen überhaupt nicht bemitleiden … besser ist’s, man hilft ihm.“
Diese Aussage ist keine Floskel. Sie ist ein sozialer Appell, eine ethische Richtlinie und ein Spiegel für unsere Haltung gegenüber Not. Gorki wollte den Menschen nicht nur literarisch porträtieren – er wollte ihn verändern, stärken, emanzipieren.
Der psychologische Aspekt – Warum Mitleid oft lähmt
Mitleid scheint auf den ersten Blick etwas Gutes zu sein. Es zeigt, dass wir fühlen, dass uns das Leid anderer nicht kaltlässt. Doch psychologisch gesehen ist Mitleid ambivalent. Es entsteht oft aus einer Position der Überlegenheit: „Der andere ist schwach, ich bin stark. Ich fühle mit ihm – aber ich bleibe auf meinem sicheren Sockel.“
Das kann entwürdigend wirken. Mitleid hat – anders als Empathie – die Tendenz, den Leidenden zu einem passiven Objekt zu machen. Die Botschaft zwischen den Zeilen lautet: „Du bist bemitleidenswert – aber nicht in der Lage, selbst etwas zu verändern.“
Hilfe hingegen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Hilfe setzt voraus, dass ich nicht nur fühle, sondern handle. Dass ich mir die Hände schmutzig mache, Zeit opfere, Ressourcen teile. Hilfe ist der Ausdruck von aktivem Mitgefühl – und sie ist psychologisch wirksam:
– Für den Hilfesuchenden bedeutet sie Hoffnung, Selbstwirksamkeit und soziale Verbundenheit.
– Für den Helfenden bedeutet sie Sinn, Verbundenheit und oft sogar ein gesteigertes Selbstwertgefühl.
Studien zeigen: Menschen, die anderen helfen – sei es durch Spenden, Zuhören oder konkrete Unterstützung – erleben mehr Glück, weniger depressive Symptome und fühlen sich gesünder.
Warum dieses Zitat heute wichtiger ist als je zuvor
Wir leben in einer Zeit, in der das Leid anderer oft nur einen Klick entfernt ist. Bilder von Kriegen, Hunger, Flucht und Krankheit füllen unsere Feeds. Und doch bleibt unser Handeln oft aus. Wir reagieren mit einem kurzen Moment des Mitleids – und scrollen weiter.
Das ist verständlich. Unsere Ressourcen sind begrenzt, unsere Aufmerksamkeit überfordert. Aber genau hier kommt Gorkis Appell ins Spiel: Wenn wir das Leid anderer wirklich sehen, dann dürfen wir nicht nur fühlen – wir müssen helfen. Sei es durch eine Spende, durch Engagement in einem Projekt, durch ein offenes Ohr für jemanden in unserer Nähe.
Hilfe beginnt nicht erst bei großen Gesten. Sie beginnt dort, wo wir bereit sind, uns nicht länger zurückzulehnen, sondern hinzusehen und da zu sein. Jeder von uns hat die Möglichkeit, zum Helfer zu werden – jeden Tag.
Vom Mitleid zur Handlung – Ein Plädoyer für Engagement
Maxim Gorki hat in seiner Literatur nie den Menschen idealisiert. Er zeigte Schwächen, Widersprüche, auch Grausamkeiten. Aber er glaubte an die Veränderbarkeit des Menschen. Und diese Veränderung beginnt mit dem Moment, in dem wir unsere Passivität ablegen.
Wenn du jemandem begegnest, der in Not ist – körperlich, seelisch oder sozial – frage dich nicht zuerst: „Wie schlimm ist das?“ Sondern frage: „Was kann ich tun?“
Vielleicht ist es eine kleine Spende für ein Projekt, das dich berührt. Vielleicht ist es ein ehrenamtlicher Einsatz in deiner Stadt. Vielleicht ist es einfach ein Gespräch mit einem Menschen, der sich alleingelassen fühlt.
Indem du hilfst, wirst du selbst beschenkt. Du wächst über dich hinaus. Du stärkst nicht nur den anderen – du stärkst auch dich.
Fazit – Ein Zitat, das verpflichtet
„Eigentlich sollte man einen Menschen überhaupt nicht bemitleiden, besser ist es, man hilft ihm.“ – Dieses Zitat ist kein sentimentaler Spruch. Es ist ein Appell an unser Menschsein. Es erinnert uns daran, dass echtes Mitgefühl nicht im Herzen endet, sondern in der Tat beginnt.
Maxim Gorki hat es in einer Zeit geschrieben, die voller sozialer Ungerechtigkeit war. Aber seine Worte sind zeitlos. Sie fordern uns heute heraus – in einer Welt, in der Hilfe mehr gebraucht wird denn je. Sei der Mensch, der nicht nur bemitleidet, sondern hilft. Denn Hilfe verändert – den anderen. Und dich selbst.
Quellen & weiterführende Informationen:
– Maxim Gorki: Die Kleinbürger, 1901
– Psychologische Studien zu Mitgefühl,
Empathie und prosozialem Verhalten (u.a. Paul Gilbert, Kristin Neff)